Laudes
Vokalquartett
Moritz Achermann
Jürg Stähli
Kurt Meier
Beat Senn
Hans Studer (1911–1984)
Spruch-Motette nach Worten von Jeremias Gotthelf (1970)
 
Albert Bitzius alias Jeremias Gotthelf, Pfarrer von Lützelflüh im Emmental, wusste, wie er von der Kanzel her seine Botschaften kurz und bündig anbringen musste. Solche Sprüche oder Sentenzen, die von aphoristischer Knappheit sind, finden sich auch überall in seinen Büchern. Und sie sind manchmal von bestürzender Eindringlichkeit. Das mag auch einen Komponisten reizen. So gehört die «Spruch-Motette nach Worten von Jeremias Gotthelf» zu den gewichtigen späten Werken von Hans Studer.Studer, Organist und Kirchenchorleiter an seinem Geburtsort Muri BE und Kompositionsschüler von Willy Burkhard und Albert Moeschinger, früh übrigens von Hermann Scherchen in Winterthur aufgeführt, stand dem neobarocken Stil eines Paul Hindemith und Willy Burkhard nahe. Und er stand in der Tradition protestantischer Kirchenmusik. Zahlreich sind seine Werke besonders für Orgel und für Chor a cappella. Auffallend ist dabei die Vielfalt der Textvorlagen, die von der griechischen Antike über altchinesische Poesie bis zur Romantik und zu zeitgenössischer Naturlyrik reicht. Besonders in den letzten Lebensjahrzehnten erweiterte Studer damit sein Ausdrucksspektrum nochmals beträchtlich. Diese Erweiterung, so der Musikwissenschaftler Max Favre, geht einher «mit der Erweiterung der kompositorischen Mittel (grössere Vielfalt und charakteristischer Einsatz des Instrumentariums, erstmalige partielle, nicht strenge Anwendung von Zwölftonkomplexen und damit Anzeichen einer Abwendung von modaler Diatonik)». In diesen Zusammenhang gehört auch die «Spruch-Motette». Zwölf aphoristische Betrachtungen Gotthelfs hat Studer hier versammelt und daraus für die Berner Singstudenten einen Zyklus geschaffen. Die Komposition wurde am 5. Januar 1970 abgeschlossen und zwei Jahre später als «Spruch-Kantate / nach Worten von Jeremias Gotthelf und einem Hausspruch» für gemischten Chor und Orchester weiter ausgearbeitet.
I Der Mensch kennt alle Dinge der Erde – aber den Menschen kennt er nicht. (Bauernspiegel)
II Wie gering ein Mensch sein mag, so hat er doch einen Namen. (Uli der Knecht)
III Je unbedeutender ein Mensch ist, für desto bedeutender hält er alles, was er tut. (Der Herr Esau)
IV Gut haben, das kann bald jeder Narr, wenn er dazu kommt. Aber sich zu rühren in der rechten Zeit, das ist eine Kunst für gescheite Leute. (Leiden und Freuden eines Schulmeisters)
V Was man nicht begreift, das schreit man als dumm aus. Je dümmer einer ist, desto übermütiger und einbildischer ist er. (Besuch auf dem Lande)
VI Es ist gar wunderlich mit der sogenannten Bildung: Sie ist gar oft nichts als ein simpler Kleister über eine rohe Natur. (Uli der Pächter)
VII Bedenke, wie dunkel das Leben wird, wenn der trübselige Mensch seine eigene Sonne sein will. (Anne Bäbi Jowäger)
VIII Alle Menschen empfangen von Gott zwei grosse Kapitale, die man zinsbar zu machen hat, nämlich: Kräfte und Zeit. (Uli der Knecht)
IX Lachen ist ein Heilmittel, dessen stillende Kraft man nicht sattsam ermisst. (Der Herr Esau)
X Das Alte kann man wohl zerstören. Aber ob dann wirklich das Neue werde, welches man anstrebt: Das ist eine andere Sache. (Die drei Brüder)
XI Die Ordnung Gottes lässt sich nicht ungestraft verkehren, und die Weisheit wird nicht angeboren, sondern erworben. (Die drei Brüder)
XII Wohl dem, der seinem Leben einen Hauptpfeiler setzt, den keine Gwalt zertrümmern, kein Tod in Staub verwandeln kann. (Der Bauernspiegel)
Dreifaltigkeitskirche | |
Donnerstag, 22. Oktober 2015 | 08.00 Uhr