Orgelspaziergang, Teil 3
Hauptorgel (Goll-Wälti 2011)
Carmen Schneller Gitz Orgel
Alfred Baum (1904–1993)
All Morgen ist ganz frisch und neu (2 Verse)
Oren Kirschenbaum (*1982)
All Morgen ist ganz frisch und neu
Jürg Brunner (*1946)
Concerto über Ein heller Morgen
Tatjana von Gunten Orgel
Roman Krasnovsky (*1955)
Toccata domenicale op. 9
Kathrin Bratschi Orgel
Michael Radulescu (*1943)
Aus: Sieben Choräle zur Passion (1981)
3. Christus, der uns selig macht
5. O Traurigkeit, O Herzeleid
Klaus Huber (*1924)
In te Domine speravi (1964)
Morgendlich gestimmt beginnt das Nachmittagskonzert – mit dem Choral «All Morgen ist ganz frisch und neu» aus dem frühen 16. Jahrhundert: Johannes Zwick schrieb dazu den Text, Johann Walter die Melodie. Der Komponist Alfred Baum, über fast sechs Jahrzehnte Organist an der Kirche Neumünster und einer der wichtigsten Vertreter der Zürcher Kirchenmusik, hat zahllose Stücke für den Gottesdienst geschaffen, daneben auch Choralbearbeitungen wie diese. Ein aktuelles Pendant erhält sie hier im Choralvorspiel von Oren Kirschenbaum. Der aus Israel stammende Organist, dessen Familie vor den Nazis aus Deutschland fliehen musste, war fünf Jahre an der evangelischen Kirche Zollikon tätig, musste sie dann aber verlassen, weil seine Arbeitsbewilligung in Zürich nicht verlängert wurde. Derzeit studiert er noch in Basel. Der Gedanke der Morgenstund‘ wird im «Concerto»von Jürg Brunner aufgegriffen, der sich seinerseits nun aber auf den beliebten Kanon von Willi Gohl (einem Schüler von Alfred Baum) bezieht.
Aus der Ukraine stammt der Komponist und Organist Roman Krasnovsky. Er studierte noch bei Aram Khatschaturjan in Moskau und kam dann nach Deutschland, um hier sein Orgelstudium zu beenden. 1990 emigrierte er nach Israel. Seither ist er als Konzertorganist unterwegs, in Europa, den Vereinigten Staaten und Japan. Erst in den 90er Jahren kehrte er wieder zur Komposition zurück. Sein Orgelwerk umfasst drei Sinfonien und diese Sonntagstoccata, Toccata domenicale, mit denen er häufig seine Konzerte beendet. Ein eingängliches, ja jahrmarkthaftes Thema wird hier auf dramatische und spielerische Weise verarbeitet und gerät so auf überraschende Weise in ganz andere Sphären.
Der österreichische Komponist und Organist Michael Radulescu, der von 1968 bis 2008 an der Wiener Musikhochschule unterrichtete, ist ebenfalls Konzertorganist. Sieben Passionschoräle hat er 1981 verarbeitet, indem er jedem von ihnen einen Modus (oder mehrere) zugeordnet und die Choralmelodie so umgeformt hat. Die Komposition entspringt also modalem Denken. Der zweite Teil von «Christus, der uns selig macht» sei als verhöhnender Tanz der Spötter Jesu vor dem Kreuz zu verstehen.
Klaus Huber ist einer der international bekanntesten Schweizer Komponisten. Durch sein politisches Engagement, etwa für die sandinistische Revolution in Nicaragua, sowie durch sein Studium der arabischen Musik hat er innerhalb der Neuen Musik deutlich Position bezogen. Eine seiner Wurzeln liegt jedoch, wie oft übersehen wird, in der reformierten Kirchenmusik. Bei Willy Burkhard, seinem Patenonkel, studierte er Komposition, und in seinen ersten Werken knüpft er durchaus daran an, wenngleich er dabei auch sofort die konfessionellen Grenzen überschreitet, hin zur Ökumene und zur Mystik. In diesem Zusammenhang ist auch das frühe Orgelstück «In te Domine speravi» zu sehen. In dieser Psalminvention scheint ein Gedanke auf, der Hubers Schaffen prägt und trägt: die Hoffnung. So schrieb er einmal: «Auf Gegenwart reagierend, wie ich es nicht anders kann, hoffe ich, mit meinem Werk einen bescheidenen Beitrag zu leisten gegen die fortschreitende Verdinglichung des Menschen (samt seiner Seele...), zur Rettung des Menschlichen in einer Zeit, die sich anderen Zielen verschrieben hat. – Und das im vollen Bewusstsein einer extrem brutalisierten Gegenwart, nicht nur in Palästina. Un autre monde est possible.»
Kirche St. Peter und Paul | |
Mittwoch, 21. Oktober 2015 | 15.00 Uhr